Nach Weihnachten 2020 sollen die ersten Personen gegen das Corona-Virus geimpft werden. Eine Impfpflicht gibt es jedoch nicht. Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dennoch zu einer Impfung drängen? Wir klären auf!
Die "Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2" legt fest, wer in welcher Reihenfolge einen Anspruch auf eine Impfung hat. Die Anordnung einer Impfpflicht enthält sie nicht. Grundsätzlich ist eine gesetzlich eingeführte Impfpflicht aber möglich und verfassungskonform. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1959 anlässlich der Pflicht zu Pockenschutzimpfungen entschieden.
Auch im heutigen Infektionsschutzgesetz (IfSG) findet sich mit § 20 Abs. 6 S. 1 eine derartige gesetzliche Grundlage, wonach "bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe teilzunehmen haben, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist".
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Unabhängig von einer fehlenden öffentlich-rechtlichen Impfpflicht, wird insbesondere im Arbeitsrecht über entsprechende Regelungen nachgedacht.
Beispiel:
Fluggesellschaften überlegen, nur noch geimpfte Passagiere mitzunehmen. Gleiches gilt für das Betreten von Restaurants oder Kinos.
So wurden bislang Fiebermessungen und Befragungen von Urlaubsrückkehrern nach Aufenthalten in Risikogebieten für zulässig erachtet. Denn die Schutzpflicht des Arbeitgebers für seine Beschäftigten, überwiegt das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers und dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)).
Auch einige Tarifverträge verpflichten Arbeitnehmer zur Durchführung von gesundheitlichen Untersuchungen, wenn Zweifel an der Arbeitsfähigkeit bestehen und Verlangen eine Offenbarung des Untersuchungsergebnisses gegenüber dem Arbeitgeber. Derartige Regelungen werden vom Bundesarbeitsgericht (BAG) als wirksam angesehen.
Daher stellt sich weiter die Frage, ob der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO) den Arbeitnehmer schlicht anweisen kann, sich impfen zu lassen bzw. eine Impfung durch den Betriebsarzt zu dulden.
Die kurze Antwort: In einem "Normal-Arbeitsverhältnis" eines Produktions- oder Dienstleistungsbetriebs wird das Direktionsrecht keine ausreichende Grundlage sein, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Denn das (nicht) Impfen ist kein dienstliches Verhalten. Der Arbeitnehmer ist in seinem außerdienstlichen Verhalten grundsätzlich frei. Solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt, kann ein Arbeitgeber dies also auch nicht von seinen Mitarbeitern verlangen und zwangsweise durchsetzen.
Käme es hingegen zu einer gesetzlichen Impfpflicht, dürfte der Arbeitgeber einem impfunwilligen Arbeitnehmer nach Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung fristlos kündigen. Weitere Folge wäre, dass der Arbeitnehmer im Wege einer Leistungsklage zur Impfung verpflichtet werden könnte, die dann im Vollstreckungswege mit Zwangsgeld durchgesetzt werden könnte.
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Auch eine vertragliche Vereinbarung dürfte wegen einer unangemessene Benachteiligung des impfunwilligen Arbeitnehmers grundsätzlich unwirksam sein. Denn durch eine vertragliche Impfpflicht wird erheblich in die allgemeine Handlungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) des betroffenen Arbeitnehmers eingegriffen.
Über Ausnahmen könnte nur in besonders gelagerten Fällen nachgedacht werden. Wer beispielsweise als Arbeitgeber eine Lungenfachklinik oder eine Pflegeeinrichtung betreibt, dürfte ein hohes Interesse daran haben, dass das bei ihm eingesetzte pflegerische Personal geimpft ist. Gegebenenfalls verlangen auch die Patienten oder deren Angehörige den Einsatz von "geimpften Personal". Aber auch dann dürfte eine arbeitgeberseitige Anweisung zum Impfen nur schwer möglich sein.
Allerdings kann bei Impfverweigerern an eine ordentliche personenbedingte Kündigung wegen Wegfalls der Eignung gedacht werden. Nach der Rechtsprechung reicht es für eine solche Kündigung aus, wenn aufgrund fehlender oder weggefallener persönlicher Eigenschaften eine vertragsgerechte Beschäftigung nicht mehr möglich ist (vgl. BAG, Urt. v. 19.12.2013).
Beachte:
Neu eingestellte Arbeitnehmer wird man gleichermaßen fragen dürfen, ob diese geimpft sind bzw. eine Impfung zur Einstellungsbedingung machen können.
Abgesehen davon spricht viel dafür, dass Arbeitgeber geimpfte Arbeitnehmer anders als Ungeimpfte behandeln dürfen. So ist es im Einklang mit den Arbeitsschutzvorgaben denkbar, dass Ungeimpfte beispielsweise keinen Zugang zu bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. die Kantine) erhalten dürfen oder jedenfalls dies nur dann, wenn sie weiterhin eine Maske tragen und die Abstandsregelungen einhalten.
Auch die Schaffung von Anreizen für eine Impfung durch den Arbeitgeber dürfte möglich sein, da der Arbeitgeber mit Blick auf seine Schutzpflicht und seine wirtschaftlichen Interessen ein berechtigtes Interesse an einer hohen Impfquote im Betrieb hat.
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Politiker, wie Jens Spahn und Horst Seehofer, haben bislang grundsätzlich negativ auf die Pläne mancher Unternehmen und Arbeitgeber reagiert, geimpfte gegenüber nicht geimpften Personen zu privilegieren. Betont wird dabei insbesondere, dass zunächst alle Bürger die Möglichkeit haben sollten, sich impfen zu lassen.
Dennoch dürfte es schwierig werden, solche "Impf-Privilegien" per Gesetz zu verbieten.
Es ist absehbar, dass "Impfpflicht-Fälle" im kommenden Jahr die Arbeitsgerichte beschäftigen werden. Ungeachtet der aufgezeigten rechtlichen Fragen zur Impfpflicht im Arbeitsverhältnis haben diese Konstellationen auch eine große moralische Bedeutung. Denn Solidarität gegenüber Kolleginnen und Kollegen und dem Arbeitgeber sollte eigentlich für sich gesehen ein Grund sein, sich impfen zu lassen.
Schon gewusst? Unsere Rechtsanwälte und Steuerberater in Bredeney sind auch verkehrsgünstig aus Rüttenscheid, Kettwig oder Werden zu erreichen!
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Impfpflicht am Arbeitsplatz haben, wenden Sie sich an unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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