Mehr als ein Jahr dauert die Corona-Pandemie inzwischen an. Im Rahmen des seit November 2020 geltenden Lockdowns hatten sich die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen eigentlich auf eine so genannte „Notbremse“ geeinigt: Danach sollten alle Lockerungen wieder rückgängig gemacht werden, wenn die 7-Tage-Inzidenz in einem Bundesland über 100 ansteigt. Nun, da die Corona-Fallzahlen aber wieder ansteigen und sich sogar auf einem neuen Hoch befinden, lockern sogar viele Länder ihre Regeln, anstatt diese zu verschärfen.
Keine Umsetzung der Länder mehr nötig
Deshalb wurde nun das Infektionsschutzgesetz (IfSG) um eine bindende Notbremse erweitert. Mit der Änderung gilt die Notbremse automatisch. Es sind also keine weiteren Beschlüsse von Bund, Ländern oder Kommunen erforderlich.
Zentraler Inhalt
Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf für eine solche Bundes-Notbremse beschlossen. Sie wurde mit einem neuen § 28b ins IfSG eingefügt.
Zentraler Inhalt des Gesetzes: Öffentliches Leben und private Kontakte sollen verbindlich heruntergefahren werden, sobald in einem Landkreis die 7-Tage-Inzidenz (Neu-Ansteckungen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) drei Tage lang über 100 liegt.
Schon gewusst? Maske darf mit weiteren Accessoires kombiniert werden
Die Regelungen im Einzelnen
Die wichtigsten Maßnahmen der Notbremse gemäß § 28b IfSG sind:
- Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr; Ausnahmen:
- „gewichtige und unabweisbare Gründe“ (z.B: medizinische Notfälle oder berufliche Tätigkeiten)
- das alleinige abendliche Spazierengehen und Joggen bis 24 Uhr;
- Einzelhandel ist ab einem Inzidenzwert von 150 geschlossen (Ausnahmen u.a.: Lebensmittel, Bücher, Gartenbedarf) – bei einem Wert bis zu 150 dürfen Geschäfte ihren Kund*innen noch das Einkaufen per Terminvergabe anbieten, sofern die Kund*innen sich vorher testen lassen;
- Gastronomie ist geschlossen (Ausnahme: Takeaway und Kantinen);
- Freizeit- und Kultureinrichtungen sind geschlossen;
- Sport ist untersagt (Ausnahmen: kontaktloser Individualsport allein oder zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt sowie Profisport ohne Zuschauer*innen);
- Busse und Züge fahren nur mit halber Passagierzahl;
- Private Treffen nur im eigenen Haushalt plus eine Person und deren Kinder (Ausnahme: Demonstrationen und Gottesdienste);
- Pflicht zur Arbeit im Homeoffice soweit dies von Arbeitgeber*innen angeboten wird (Ausnahmen möglich).
Schulen und Kitas müssen erst schließen, wenn der Inzidenzwert über 165 steigt. Bis dahin sind für Schüler*innen und Lehrer*innen zwei Mal wöchentlich Corona-Tests vorgesehen. Dabei besteht Testpflicht.
Verordnungsermächtigung für schärfere Regeln
Darüber hinaus kann die Bundesregierung (Bundesrat und -tag) nach § 28b Abs. 6 IfSG für Fälle einer Inzidenz über 100 auch Verordnungen beschließen, mit welchen die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen verschärft oder abgeschwächt werden können.
Die Bundesregierung hält die massiven Eingriffe in die Grundrechte von Bürger*innen und Unternehmen laut Begründung für verhältnismäßig, weil sie nicht dauerhaft gelten sollen. Vielmehr wird eine schnellst mögliche Rückkehr zu einem Zustand mit weniger Einschränkungen angestrebt. Zudem haben die Maßnahmen eine „Gesamtsignalwirkung„.
Schon gewusst? Maskenpflicht am Arbeitsplatz?
Verstöße werden sanktioniert
Bürger*innen und Unternehmen, die gegen Notbremse-Maßnahmen verstoßen – z.B. indem sie gegen eine Ausgangssperre verstoßen oder ein Restaurant trotz Verbots öffnen – begehen damit eine Ordnungswidrigkeit. Der Katalog in § 73 Abs. 1a IfSG soll entsprechend erweitert werden. Bei Verstößen drohen gemäß § 17 Ordnungswidrigkeitengesetz (OwiG) Geldbußen von 5,- bis 1.000,- Euro.
Schon gewusst? „Social distancing“ – mehr als eine Empfehlung!
Neuregelung bleibt vergänglich
Der neue Notbremsen-Paragraph soll nicht dauerhaft in Kraft bleiben. Vielmehr ist er an das Bestehen einer „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ gebunden. Ob diese vorliegt, entscheidet gemäß § 5 Abs. 1 IfSG der Bundestag. Er muss seit der letzten IfSG-Änderung im März mindestens alle drei Monate den Beschluss erneuern.
Trotzdem weiter unterschiedliche Regelungen möglich
Die Länder dürfen jedoch weiter über ihre Regeln selber entscheiden, wenn der Inzidenzwert unter 100 bleibt. Dann sind weiterhin die Verordnungen der Landesregierungen gemäß § 28a i.V.m. § 32 IfSG maßgeblich. Unterhalb der Schwelle dürfte die Flexibilität der Länder sogar steigen, weil hier keine koordinierenden Bund-Länder-Konferenzen mehr vorgesehen sind.
Schon gewusst? Betriebsschließungsversicherung haftet für pandemiebedingte Umsatzeinbußen!
Weiteres Gesetzgebungsverfahren abzuwarten
Der geänderte Gesetzesentwurf wurde am 21.04.2021 vom Bundestag beschlossen. Auch der Bundesrat hat seine Zustimmung erteilt und der Bundespräsident hat das Gesetz abgezeichnet. Die Regelungen sollen vorerst bis Ende Juni gelten.
Insbesondere gegen die Ausgangsbeschränkungen sind beim Bundesverfassungsgericht mehrere Verfassungsbeschwerden eingegangen. Es bleibt also abzuwarten, inwieweit die strengen Maßnahmen Bestand haben werden.
Möchten Sie einen Beratungstermin vereinbaren?
Wir stehen Ihnen gerne kompetent mit Rat und Tat zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 vornehmen.
Ihre Kanzlei Schumacher & Partner