Im Jahr 2024 wurde das rechte Magazin „Compact“ verboten (Schumacher berichtete zum Verbot und gab später ein Update). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat das Verbot nun aufgehoben (Beschl. v. 12.06.2025, Az. BVerwG 6 A 1.24). Zwar stellten die Richter zahlreiche verfassungsfeindliche Inhalte fest – für ein Verbot reiche dies jedoch nicht aus. Ausschlaggebend war die fehlende „prägende Wirkung“ dieser Aussagen auf das Gesamtbild der Publikation.
Vereinsverbot grundsätzlich auf Medien anwendbar
Ein zentrales Ergebnis der Entscheidung: Das Vereinsgesetz (§§ 3 ff. VereinsG) kann grundsätzlich auch auf Medienunternehmen angewendet werden. Voraussetzung ist, dass das betreffende Medium in Form eines Vereins oder vereinsähnlich organisiert ist und gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist (§ 3 Abs. 1 VereinsG).
Das Gericht widersprach damit der Kritik, Presseprodukte könnten nie durch das Vereinsrecht verboten werden – bestätigte aber zugleich die sehr hohe Schwelle für solche Verbote.
Verfassungsfeindlichkeit reicht nicht für ein Verbot
Inhaltlich bescheinigte das Gericht dem Compact-Magazin zahlreiche Äußerungen, die gegen den Kern des Grundgesetzes verstoßen – etwa gegen die Menschenwürde von Muslimen, Geflüchteten oder Minderheiten. Insbesondere die Kampagne zur sogenannten „Remigration“ oder die andauernde Dämonisierung des Islam seien verfassungsrechtlich hochbedenklich.
Dennoch betonte das BVerwG, dass diese Aussagen nicht das Gesamtbild des Magazins prägten. Sie seien – im Verhältnis zur Gesamtheit der Inhalte – nicht dominant genug, um ein Verbot zu rechtfertigen.
Meinungsfreiheit bleibt vorrangig
Zugespitzte, polemische oder provozierende Aussagen sind – auch wenn sie verfassungsrechtlich an Grenzen stoßen – vom Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt. Das BVerwG machte deutlich, dass nicht jede verfassungsfeindliche Aussage zum Verbot führen kann, solange sie nicht strukturell für die Publikation stehen.
Damit wird der Vorrang des freiheitlichen Diskurses betont – selbst gegenüber bedenklichen oder radikalen Positionen.
Keine Umgehung des Grundrechtsschutzes über Vereinsrecht
Ein weiteres zentrales Argument: Der Staat darf die Pressefreiheit nicht durch Rückgriff auf das Vereinsrecht umgehen. Selbst wenn Compact neben journalistischen Tätigkeiten auch politische Kampagnen betreibt, genießt es als Presseorgan grundrechtlichen Schutz.
Ein Verbot ist nur dann zulässig, wenn sich das Medium als verdeckter politischer Akteur jenseits journalistischer Tätigkeit positioniert – was im Fall von Compact nicht hinreichend belegt werden konnte.
Fazit
Die Entscheidung des BVerwG zeigt die verfassungsrechtliche Gratwanderung im Umgang mit extremistischen Medien: Der Staat darf verfassungsfeindliche Aktivitäten nicht dulden, muss aber zugleich die Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit auch bei radikalen Inhalten wahren. Für ein Verbot reicht es nicht, dass ein Medium problematische Inhalte verbreitet – diese müssen strukturprägend und eindeutig gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sein.
Das Urteil dürfte Signalwirkung haben: Für politische Maßnahmen gegen extremistische Publikationen sind künftig detaillierte Nachweise und eine differenzierte Bewertung des Gesamtauftritts erforderlich.
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