"Cash-and-Drive" - Wenn plötzlich das Auto nicht mehr da ist

Geschrieben von: Henrik Noszka

Mit dem sogenannten "Cash-and-Drive"-Modell erwirtschaftete Pfando allein im Jahr 2020 über 20 Million Euro. Kommt jemand - wie es während der Corona-Pandemie und Energiekriese häufig geschah - in Zahlungsschwierigkeiten, kann er oder sie, anstelle einen Kredit aufzunehmen, ihr Fahrzeug "in Zahlung geben". Dafür erwirbt Pfando das Fahrzeug und die ehemalige Eigentümerin mietet es zurück. Kann sie allerdings nicht mehr die Raten bezahlen, behält sich Pfando vor, das Fahrzeug unangekündigt mitzunehmen, um es zu verwerten. Diese Praxis ist rechtswidrig, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und sprach einer klagenden Frau einen hohen Schadensersatz zu, weil sie ihr Fahrzeug nicht mehr nutzen konnte (Az.: 2 U 165/21).

"Cash-and-Drive"

Das Modell "Cash-and-Drive" beinhaltet, dass Pfando Eigentümern von Kraftfahrzeugen diese Kraftfahrzeuge abkauft und sie ihnen für einen Folgezeitraum gegen ein monatliches Entgelt unmittelbar zur Miete überlässt. Nach Ende der Mietzeit soll Pfando das Fahrzeug öffentlich versteigern. Hierfür wirbt es mit einem unkomplizierten Modell für einen kurzfristigen Liquiditätsengpass bei fehlender Kreditwürdigkeit mit dem Erhalt von Bargeld. Das Prinzip, so Pfando, biete eine hervorragende Alternative zum Pfandhaus oder einem üblichen Kredit bei einer Bank. „Weniger Gebühren, Zinsen - dafür sofort Bargeld und gleichbleibende Mobilität!

Hinweis: Letztes Jahr erklärte der Bundesgerichtshof schon einzelne Verträge Pfandos wegen Wuchers für unwirksam. Wir berichteten.

Keine Miete mehr - Auto weg

Die Verträge mit Pfando beinhalten allerdings eine Klausel, nach der Pfando, sobald Engpässe bei den Mietrückzahlungen entstehen, Pfando die Fahrzeuge einfach abholen lassen kann. Dabei könne das Grundstück der mietenden Partei zu jeder Zeit betreten werden. Auch mussten Mieter einwilligen, dass Pfando das Fahrzeug ohne Ankündigung "vorläufig sicherstellen" kann.

Schon gewusst? Steuerbegünstigungen für E-Autos

Besitzentzug - Rechte

Das Bürgerliche Gesetzbuch ("BGB") unterscheidet trennscharf zwischen Eigentum und Besitz. Besitz ist die tatsächliche Herrschaft über eine Sache und Eigentum die rechtliche. Verkaufen Eigentümer ihre Fahrzeuge an Pfando, übertragen sie auch ihr Eigentum an das Pfandunternehmen. Den Besitz an dem Fahrzeug behalten sie allerdings - denn sie mieten das Fahrzeug zurück, um weiterhin mobil bleiben zu können.

Der Besitz ist umfassend im BGB geschützt. Er darf nicht ohne Einwilligung entzogen werden. Der Besitz ist auch geschützt, wenn der Besitzer nicht Eigentümer ist. Folgende Rechte stehen dem Besitzer zu:

  • Selbsthilferecht, sich notfalls mit Gewalt der Besitzentziehung zu widersetzen, § 859 BGB.
  • Anspruch auf Widereinräumung des Besitzes, § 861 BGB.
  • Anspruch auf Beseitigung der Störung des Besitzes, § 862 BGB.
  • Verfolgungsrecht, § 867 BGB.
  • Weitere Herausgabeansprüche nach § 1007 BGB.

Die ersten drei aufgezählten Rechte setzten die sogenannte verbotene Eigenmacht voraus. Liegt diese vor, kann sich der Besitzer umfassend zur Wehr setzen, notfalls und in bestimmten Fällen auch mit Gewalt, wie § 859 BGB zeigt.

§ 858 BGB Verbotene Eigenmacht

(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).

(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.

Hinweis: Tritt wegen verbotener Eigenmacht ein Schaden ein, bestehen auch Schadensersatzansprüche, die auf § 858 BGB gestützt werden können.

Fahrzeugmitnahme = verbotene Eigenmacht

Nimmt Pfando ungefragt oder gegen den Protest der Mietpartei das gekaufte Auto einfach ohne Gerichtsvollzieher mit, liegt grundsätzlich verbotene Eigenmacht vor. Pfando vereinbarte aber vertraglich, dass die Besitzer auf ihre Ansprüche gegenüber Pfando wegen verbotener Eigenmacht verzichten. Das Oberlandesgericht musste sich der Frage stellen, ob dies rechtens ist. 

Hinweis: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Pfando enthalten noch viele weitere Klauseln, die an der Grenze des Erlaubten formuliert sind. Etwa ist es nicht sicher, dass der Mieter das Fahrzeug sicher zurückerhält, nachdem der gesamte Mietzins zurückgezahlt wurde. Denn Pfando versteigert das Fahrzeug nach dem Ende der Mietzeit.

Der Sachverhalt

Eine Frau war während der Corona Hochzeit in Zahlungsschwierigkeiten geraten und verkaufte daher ihren Hyundai i20 für 1.500 Euro an Pfando. Nachdem sie wieder in Zahlungsschwierigkeiten geriet, kündigte Pfando den Mietvertrag und holte das Fahrzeug ohne Vorankündigung ab. Später lies Pfando es versteigern.

Die Frau ist der Ansicht, dass die Abholung widerrechtlich war. Der Vertrag mit Pfando sei nichtig. Daher fordere sie für knapp zwei Jahre, in denen sie kein Fahrzeug zur Verfügung hatte, knapp 17.000 Euro Schadensersatz wegen Nutzungsausfalls.

Schon gewusst? Markenverletzung durch Domain

OLG Frankfurt: Abholung ist verbotene Eigenmacht

Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte kurz fest, dass der Entzug des Besitzes des Hyundai verbotene Eigenmacht darstelle. Selbst wenn Pfando ein Mitbesitz eingeräumt worden sei, was zweifelhaft sei, liege noch immer verbotene Eigenmacht vor. Denn die vollständige Besitzergreifung durch Pfando sei nicht vom Willen der klagenden Frau gedeckt.

In diesem Beitrag (eBay & Co.: Steuern bei Privatverkäufen) können Sie nachlesen, wie Privatverkäufe grundsätzlich besteuert werden.

OLG Frankfurt: Verzicht auf Schutzrechte nicht möglich

Der zweite Zivilsenat prüfte ebenfalls die Klauseln im Vertrag, nachdem die mietende Partei auf ihre Rechte wegen verbotener Eigenmacht verzichte. Diese seien allesamt unwirksam, weil sie mit grundlegenden Gedanken des BGB im Konflikt stünden. Insbesondere würden sie sogar zu strafbaren Handlungen (Eindringen in befriedete Grundstücke) berechtigen. Mit den Worten des Senats: "Der pauschale Verzicht auf Schutzrechte ist grundsätzlich unzulässig."

Schon gewusst? Finanzamt wird über (private) Online-Verkäufe informiert

OLG Frankfurt: Auswirkung durch Mietverzug?

Auch der Zahlungsverzug der Mieterin ändere nichts an diesen Grundsätzen. Dieser berechtige ebenfalls nicht zu eigenmächtigen Handeln. 

Schon gewusst? Anspruch auf Einsicht in Blitzer-Messdaten

OLG Frankfurt: Minderung des Schadensersatzes

Allerdings minderte das Oberlandesgericht die Schadensersatzforderung der Klägerin, weil diese sich nicht zeitnah ein Ersatzfahrzeug beschaffte, sondern damit fast zwei Jahre wartete. Damit falle ihr ein Mitverschulden zur Last. Insgesamt sprach das Gericht der Klägerin 11.408,00 Euro zu.

Schon gewusst? Datenschutzrecht 2023: Dürfen Falschparker fotografiert werden?

Fazit

Pfando hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass es sich gerne am Rande des rechtlich Erlaubten bewegt. So erklärte auch schon der Bundesgerichtshof einige seiner Geschäftspraxen wegen Wuchers für nichtig. Wir berichteten. Auf Pfando könnten nun viele Schadensersatzforderungen wegen Nutzungsausfalls zukommen. Allerdings wird Pfando vermutlich seine Geschäftspraxis nicht ändern. Das Unternehmen erklärte, es habe seine allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den gerichtlichen Vorgaben schon länger angepasst.

Sie haben noch Fragen?
Wir sind für Sie da!
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
Bürozeiten: Mo - Do: 08:00 – 17:00 Uhr, Fr: 08:00 – 15:00 Uhr
chevron-down linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram