BGH: "Sale and rent Back"-Geschäft wucherähnlich?

Geschrieben von: Henrik Noszka

Der Bundesgerichtshof hat sich am 16.11.2022 mit der Frage auseinandergesetzt, ob das im Pfandhandel beliebte Modell des "Sale and rent Back"-Geschäfts rechtmäßig ist. 

Der Sachverhalt

Die Pfando's cash & drive GmbH ist ein staatlich zugelassenes und bundesweit tätiges Pfandleihhaus. Pfando's kauf Kfz an und vermietet sie an die Verkäufer zurück (sogenannte "sale and rent back"-Geschäfte). Grundsätzlich nach sechs Monaten werden die Fahrzeuge öffentlich versteigert - an dieser Versteigerung kann auch der Leiher teilnehmen. Der Preis, der in der Versteigerung angesetzt wird, setzt sich aus dem Ankaufspreis und weiteren Elementen (etwa Schäden etc.) zusammen. 

Vier Parteien klagten gegen diese Praxis. In allen vier Verfahren gaben die Berufsgerichte aus verschiedenen Gründen den klagenden Parteien Recht: Die Praxis von Pfando's sei unrechtmäßig. Dagegen legte Pfando's Revision zum Bundesgerichtshof ein. Dieser legte die Verfahren zusammen. 

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Berufungsgerichte: Rückkaufgeschäft

Die Berufungsgerichte gingen in allen vier Verfahren (Az.: VIII ZR 221/21,;VIII ZR 290/21; VIII ZR 436/21; VIII ZR 436/21) davon aus, dass die Praxis von Pfando's gegen das Verbot des Rückkaufgeschäfts gemäß § 34 Abs. 4 Gewerbeordnung ("GewO") verstoße. Das führe dazu, dass die der Rückkaufpraxis von Pfando's zugrunde liegenden Verträge nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch ("BGB") nichtig sind. 

§ 34 GewO Pfandleihgewerbe

[....]

(4) Der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts ist verboten.

§ 134 BGB Gesetzliches Verbot

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

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Allgemein: Die Sittenwidrigkeit

In den Berufungsverfahren sowie in den Revisionsverfahren wurde aber auch der sogenannte Wucher der Geschäfte gerügt. Erfüllt ein Rechtsgeschäft den Tatbestand von Wucher, führt dies ebenso wie bei § 134 BGB dazu, dass das Rechtsgeschäft (also der Vertrag) keine Verpflichtungen entfaltet. Eventuell geleistetes muss grundsätzlich zurückgeleistet werden (siehe hierzu und zu entsprechenden Ausnahmen diesen Beitrag von uns). Wucher ist in § 138 Abs. 2 BGB geregelt:

§ 138 BGB Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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BGH: Kein Rückkaufgeschäft

Der Bundesgerichtshof entschied, dass kein Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO vorliege. Denn das Verbot fordere ausdrücklich, dass ein Rückkaufsrecht vertraglich eingeräumt werde. Das sei aber gerade nicht geschehen, weil die Fahrzeuge in einer öffentlichen Versteigerung veräußert werden. Es müsse die vertragliche Pflicht geben - die verschieden ausgestaltet sein kann - dass der Veräußerer das Fahrzeug zurückerwirbt. Die faktische Möglichkeit, dass dies im Rahmen einen öffentlichen Versteigerung geschehe, reiche nicht aus.

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BGH: Aber Wucher?

Der Bundesgerichtshof nahm aber in einem der vier entschiedenen Fälle an, dass einer der geschlossenen "Sale and rent back"-Geschäfte gegen den Tatbestand des Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB verstoße. Das gegenständliche Fahrzeug hatte einen Händlereinkaufswert von 13.700 Euro und wurde für 5.000 Euro an Pfando's veräußert. In diesem fast verdreifachten Wert liege Wucher. Dazu komme, dass Pfando's monatlich knapp 500 Euro Miete für die Nutzung des Fahrzeugs kassierte. In den sechs Monaten Mietzeit habe der Mieter damit knapp 3.000 Euro und damit einen Großteil seines Verkaufspreises aufgezehrt. Das spreche verstärkend für einen Wucher nach Ansicht des Bundesgerichtshofs.

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Fazit

Die Entscheidung des Gerichtshofes ist für Beteiligte von "Sale and rent back"-Geschäften zugleich positiv wie auch negativ. Günstig wäre natürlich eine Anwendung von § 34 Abs. 4 GewO gewesen. Über die Anwendung von § 138 Abs. 2 BGB wird allerdings der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung getragen, indem genau die preisliche Situation des jeweiligen Geschäftes geprüft wird. Sollte jemand von einem derartigen Geschäft betroffen sein, bietet es sich an, einmal die genauen preislichen Konditionen nachzuvollziehen. 

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