BGH: Quarzsandhandschuhe begründen Tötungsvorsatz

26. Juni 2025
Geschrieben von: Benedikt Renschler

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Marburg aufgehoben. Das Landgericht hatte zuvor in einem Fall drei Angeklagte wegen schwerer Körperverletzung und weiterer Delikte verurteilt. Der Bundesgerichtshof sah hierin einen Rechtsfehler. Der Grund: Quarzsandhandschuhe.

Tathergang

Am 3. Dezember 2020 wurde ein stellvertretender Ordnungsamtsleiter vor seinem Wohnhaus brutal überfallen, nachdem er zuvor ein Wettbüro des Sohnes eines Angeklagten wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung beanstandet hatte.

Aus Wut über das weiterlaufende Bußgeldverfahren organisierte der Vater des Betroffenen einen gezielten Racheakt: Gemeinsam mit zwei Komplizen lauerte er dem Beamten auf, ließ ihn zu Boden reißen. Einer der beiden Komplizen hatte sich zum Ausführen der Tat verstärkte Quarzsandhandschuhe übergezogen. Gemeinsam mit dem anderen Komplizen schlug er dem Beamten innerhalb von etwa 30 Sekunden mindestens 20-mal ins Gesicht. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen, darunter Gesichtsfrakturen und dauerhafte Augenschäden. Ziel der Tat war es, den Beamten einzuschüchtern und die Behörden zur Nachgiebigkeit zu bewegen.

Einschätzung des Landgerichts

Das Landgericht (LG) Marburg fällte in dem Fall Ende 2023 ein Urteil (Az: 6 Ks 2/23). Dabei verneinte es einen Tötungsvorsatz aller Beteiligten. Bei den beiden Komplizen, die dem Opfer die Schläge verpasst hatten, mangelte es bereits am Wissenselement des bedingten Vorsatzes. Das Wissenselement ist notwendiger Bestandteil bedingten Vorsatzes (auch Eventualvorsatz). Dabei muss es der Täter zumindest für möglich gehalten haben, dass der jeweilige Erfolg der Tat eintritt.

Im hiesigen Fall hätte den beiden Komplizen also für das Begründen eines Eventualvorsatzes klar sein müssen, dass ein solches Handeln zu dem Tod des Opfers führen könnte. Das Landgericht führt hierzu aus, den Komplizen fehle es am Wissenselement, weil sie

„aufgrund ihrer Verletzungshandlungen […] nicht auf eine konkrete Lebensgefahr bei dem Opfer zu schließen brauchten, da sie ihm in einem Zeitraum von max. 30 Sekunden aus ihrer Sicht lediglich mit behandschuhten Fäusten ca. 20-mal ins Gesicht geschlagen hatten; überdies dürfte für beide Angeklagte zum Zeitpunkt ihrer Flucht auch die optische Wahrnehmung der Verletzungen noch nicht vollständig gegeben gewesen sein.“ 

Auch den Vater betreffend, dem das Wissen der Mitangeklagten zuzurechnen sei, gebe es ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser den Tod des Nebenklägers B. billigend in Kauf genommen habe.

Rechtsfehler erkannt

Der Bundesgerichtshof (BGH) kam im Revisionsverfahren zu einem anderen Ergebnis und hob das Urteil auf. In seinem Urteil vom 18.12.2024 (Az. 2 StR 297/24) war von Fehler- und Lückenhaftigkeit in der Beweiswürdigung die Rede.

Konkret rügt das Revisionsurteil, dass das Fehlen des Tötungsvorsatzes im Urteil des LG fälschlicherweise auf das Überleben des Angegriffenen gestützt wurde. Im Urteil des BGH wird erklärt, dass stets alle objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls beachtet werden müssten. Im Fall des verletzten Beamten nahm der BGH in Bezug auf die beiden Komplizen einen Tötungsvorsatz an. Es handele sich bei 20 Schlägen mit Quarzsandhandschuhen in so kurzer Zeit um eine äußerst gefährliche Tathandlung. Die Argumentation des LG, wonach sich in der „Beweisaufnahme […] keine Anknüpfungspunkte für eine billigende Inkaufnahme des Todes“ des Opfers ergeben hätten, verwarf der BGH

Gleichermaßen widersprach das Urteil der Einschätzung des LG, der Vater habe lediglich eine abschreckende Wirkung erzielen wollen und habe demnach keinen Tötungsvorsatz gehabt. Dazu wurde im Urteil des BGH pointiert, nach dieser Logik hätte der Tod des Opfers die größte Abschreckungswirkung entfaltet.

Bedingter Tötungsvorsatz

Der bedingte Tötungsvorsatz wird üblicherweise dann angenommen, wenn die jeweilige Tathandlung so gefährlich ist, dass es dem Täter klar sein durfte, dass damit die Gefahr eines Todesfalls einhergeht. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren häufig gefolgt. Entscheidend bei dieser Bewertung ist die Erkenntnisfähigkeit des Täters im Zeitpunkt der Tathandlung.

Fazit

Das Urteil hebt hervor, wie das Verwenden bestimmter Instrumente bei Gefährdungshandlungen zu Ungunsten des Täters ausgelegt werden kann. Lassen Sie die Quarzsandhandschuhe oder Vergleichbares  besser zu Hause!

Ähnliche Themen

Sie haben noch Fragen?
Wir sind für Sie da!
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
Bürozeiten: Mo - Do: 08:00 – 17:00 Uhr, Fr: 08:00 – 15:00 Uhr
chevron-down linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram