Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 16. April 2025 (Az. VII ZR 126/23) entschieden, dass ein Urteil im Zivilprozess nur von Richterinnen oder Richtern erlassen werden darf, die auch an der zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Ein Verstoß dagegen verletzt den grundrechtlich geschützten Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG – und führt zur Aufhebung des Urteils.
Gegenstand war ein Bausachverhalt aus Augsburg. Die Klägerin machte Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an einer Tiefgaragenabdichtung geltend. Nach der mündlichen Verhandlung im September 2021 verließ die zuständige Einzelrichterin das Landgericht. An ihrer Stelle urteilte eine neue Richterin – ohne die Verhandlung je miterlebt oder wiederholt zu haben.
Der Antrag der Klägerin, einen neuen Verhandlungstermin anzusetzen, blieb erfolglos. Das Landgericht wies die Klage ab – gestützt auf eine Verhandlung, an der die nun entscheidende Richterin nie teilgenommen hatte.
Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigte das Urteil – obwohl es selbst den Verstoß gegen § 309 ZPO feststellte. Die Begründung: Die rechtliche Bewertung könne auch auf schriftlicher Grundlage erfolgen. Das Gericht verzichtete ebenfalls auf eine neue mündliche Verhandlung und ließ die Revision nicht zu.
Der BGH stellte klar: Nur wer selbst an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, darf auch entscheiden. Andernfalls sei der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Vortrag der Parteien müsse zur Kenntnis genommen und in die Entscheidung einbezogen werden können – was ohne persönliche Anwesenheit ausgeschlossen sei.
Der Mangel sei auch nicht dadurch geheilt worden, dass das OLG ebenfalls auf eine mündliche Verhandlung verzichtete. Eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO (Zurückweisung der Berufung per Beschluss) sei in einem solchen Fall unzulässig.
Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zurück – jedoch nicht ans Landgericht, wie von der Klägerin beantragt. Nach § 538 Abs. 1 ZPO sei das Berufungsgericht zur Entscheidung in der Sache selbst berufen, nicht die Vorinstanz.
Das Urteil erinnert die Zivilgerichte daran, dass richterliche Kontinuität kein bloßes Ideal, sondern verfahrensrechtliche Notwendigkeit ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verhandelbar – auch nicht bei personellen Wechseln.
Für die Praxis bedeutet das: Ein Richterwechsel nach einer mündlichen Verhandlung zwingt zu deren Wiederholung, sofern das Urteil nicht mehr vom ursprünglichen Spruchkörper gefällt wird. Alles andere verletzt grundlegende Verfahrensrechte – und hält vor dem BGH nicht stand.