Der Bauboom in Deutschland hört nicht auf - auf der rechtlichen Seite sind Bauverträge allerdings komplex und daher existieren auch viele juristische Tücken, die gegenwärtig vor allem bei Streitigkeiten über steigende Ressourcen-Preise Bedeutung erlangen. Für Verbraucher gilt seit 2018 ein besonderer Vertragstyp für das oftmals größte finanzielle Vorhaben im Leben eines Verbrauchers: der Verbraucherbauvertrag. Dieser ist für Verbraucher besonders günstig. Ihnen spricht das Gesetz zahlreiche Vorteile zu, um sie zu schützen. Ungeklärt war bisher, wann genau der Vertragstyp einschlägig ist - nur bei einem vollständigen Bauwerk oder schon bei einem einzelnen "Gewerk"? Der Bundesgerichtshof hat dies nun klargestellt. Ein einzelnes "Gewerk" reicht nicht aus (Az.: VII ZR 94/22).
Gemäß § 650a Abs. 1 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ("BGB") ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Für den Bauvertrag gelten ergänzend zum allgemeinen Werkvertragsrecht aus den §§ 631 ff. BGB besondere Vorschriften. Einen besonderen Fall des Bauvertrages stellt der Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB dar. Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.
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Die Vorschriften zum Verbraucherbauvertrag dienen in erster Linie dem Schutz des Verbrauchers, der im Gegensatz zum Unternehmer regelmäßig weniger Geschäftserfahrung vorweisen kann. So bedürfen Verbraucherbauverträge zum Beispiel gemäß § 650i Abs. 2 BGB der Textform. Verträge, die nicht in dieser Form geschlossen werden, sind formnichtig. Weitere Vorteile des Vertragstypus für Verbraucher ist, dass der Unternehmer sie umfassend informieren muss und ihm außerdem ein Widerrufsrecht zusteht.
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In dem Fall war streitig, ob Eheleute, die privat einen Neubau errichteten und jeweils verschiedene Unternehmer einzelne Teile davon errichten ließen, Sicherheiten an einen der Unternehmer im Sinne einer Bauhandwerkerversicherung nach § 650f BGB zu leisten haben. Der Unternehmer, der das Bauwerk erstellt, hat nach der Vorschrift einen Anspruch auf Sicherheiten, wenn die Vergütung für das Bauwerk noch nicht (vollständig) bezahlt wurde. Die Sicherheit umfasst 10 Prozent der noch nicht gezahlten Vergütung. Jedoch findet die Vorschrift - was ein weiterer Vorteil des Verbraucherbauvertrages ist - keine Anwendung nach § 650f Abs. 6 BGB, wenn ein Vertrag nach § 650i BGB vorliegt.
Streitig vor den Gerichten war also, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag handelt, wenn Privatpersonen ihr Bauvorhaben auf viele Einzelunternehmen auslagern. Denn § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB stipuliert, dass ein neues Gebäude errichtet werden muss.
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Der Bundesgerichtshof hat zunächst auf die allgemeinen Voraussetzungen für einen Verbraucherbauvertrag hingewiesen. Ein solcher liege nach der gesetzlichen Definition der § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB vor, wenn es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird.
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Der siebte Zivilsenat urteilte, dass ein einzelnes Gewerk nicht ausreiche. Das ergebe sich zum einen aus dem klaren Wortlaut ("eines neuen Gebäudes"). Andererseits ergebe sich diese Schlussfolgerung gemäß der Ausführung des Bundesgerichtshofes aus einem Vergleich zu § 650a BGB. Dieser regele den "normalen" Bauvertrag und spreche ausdrücklich von der Herstellung "eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon." Aus der Formulierung "eines Teils davon" entnahmen die Richter*innen, dass der Gesetzgeber bei § 650a BGB feiner differenziere und daher der Schluss nahe liege, dass die Anforderungen beim Verbraucherbauvertrag höher seien.
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Der Fall verdeutlicht, wie wichtig juristischer Beistand bei großen finanziellen Vorhaben ist. Die Entscheidung, ein Bauvorhaben auf viele Unternehmen "aufzusplitten" mag kurzfristige finanzielle Vorteile bergen. Die Entscheidung geht aber mit einem Verzicht von juristischer Sicherheiten und Rechten einher. Daher muss genau abgewogen werden, was als wichtiger zu bewerten ist.
Bei weiteren Fragen zum Thema Bau- oder Architektenrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter info@schumacherlaw.com vornehmen.
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