Baurecht 2023: Kein Kfz-Betrieb im allgemeinen Wohngebiet

veröffentlicht am in der Kategorie Baurecht Verwaltungsrecht

Das deutsche Baurecht ist kurios – von der Winkelhöhe bis zur Vorgartenbepflanzung finden sich Bestimmungen in Bebauungsplänen. Also alles durchgeregelt? Fast – es gibt immer wieder neue Fallkonstellationen, die Jurist*innen und Gerichte beschäftigen. Diesmal: Ist ein (sehr kleiner) KfZ-Betrieb in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig? Dazu das Verwaltungsgericht Mainz.

Der Sachverhalt

Ein Bewohner einer 600 Seelen Gemeinde in der Nähe von Mainz will auf seinem knapp 1.200 Quadratmeter großen Grundstück eine kleine Kfz-Werkstatt einrichten. Dafür plante er, die Garage seines Wohnhauses umzunutzen und dort eine Hebebühne zu installieren. Außerdem wollte er einen Hol- und Bringservice einrichten.  Einmal pro Woche wollte er in der modernisierten Garage arbeiten. Der Bewohner stellte also bei der zuständigen Behörde einen Bauantrag auf Nutzungsänderung. Dies lehnte ab, dagegen klagte der Anwohner. 

Wir haben ausführlich in diesem Beitrag erklärt, wann ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung besteht.

Immer streng nach Bebauungsplan

Wundern sich Anwohner darüber, wie der Nachbar denn jetzt schon wieder eine Hauserweiterung errichten kann, wird in der nachbarlichen Diskussionsrunde schnell der Bebauungsplan ins Gespräch geworfen. In der Tat können derartige Pläne genausten vorgeben, was wann wo wie gebaut werden darf. So normiert § 30 Baugesetzbuch („BauGB„) auch, dass gebaut werden darf, sobald die Voraussetzungen des Bebauungsplanes erfüllt sind (und selbstverständlich ein Antrag gestellt wurde!):

§ 30 BauGB Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) …

Häufig aber geben Gemeinden nur einige Grundinformationen vor, wie gebaut werden darf. Denn eine detailreiche Regelung von der Giebelspitze bis Deckenhöhe ist komplex und schreckt eventuell auch ab. Das Gesetz erlaubt, dass die Behörde vor allem hinsichtlich der „Art […] der baulichen Nutzung“ auf die Baunutzungsverordnung („BauNVO„) verweisen darf. Die BauNVO legt fest, welche Gebäude oder Betriebe zulässig oder unzulässig sind in „wiederkehrenden Gebietstypen“, wie etwa reinen Wohngebieten, allgemeinen Wohngebieten, Mischgebieten, urbanen Gebieten etc. Wie die Aufzählung schon zeigt, sind die Vorgaben relativ ausführlich. 

So legt etwa § 4 BauNVO fest, welche Gebäudetype in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sind: 

§ 4 BauNVO Allgemeine Wohngebiete
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
1. Wohngebäude,
2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3. Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
1. Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2. sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3. Anlagen für Verwaltungen,

[…]

Das Gesetz geht dabei immer nach demselben Schema vor – zulässig sind bestimmte Gebäudetypen. Reicht ein Bürger einen Bauantrag auf ein solches Gebäude gerichtet ein, muss er genehmigt werden (sogenannte Regelbebauung). Dann gibt es noch die Gebäude, die das Bauamt „ausnahmsweise“ zulassen kann (sogenannte Ausnahmebebauung). Dabei muss das Amt abwägen, ob die Gebäude stören.

Schon gewusst? Bebauungspläne können häufig online eingesehen werden – die allermeisten Gemeinden betreiben eine entsprechende Datenbank!

Kein Bebauungsplan – was nun?

In der Praxis existieren häufig schlicht aber gar keine Bebauungspläne. Ist ein Ortsteil bebaut aber ein Bebauungsplan fehlt, handelt es sich um einen sogenannten unbeplanten Innenbereich. In diesem kann aber nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben errichtet werden, wenn es sich nach „Art und Maß der baulichen Nutzung […] in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist“.

Das Gesetz kommt aber in diesen Fällen dennoch über einen kleinen Umweg zur Anwendung der BauNVO Entscheidend ist Absatz zwei der Vorschrift. Danach wird die BauNVO angewendet, wenn die nähere Umgebung einem in der BauNVO festgelegten Gebiet entspricht. Die Bebauung richtet sich dann nur noch nach dem entsprechenden Paragraphen in der BauNVO:

§ 34 BauGB Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

(1) […]

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre;

Besteht kein Bebauungsplan muss also das Gericht in einem ersten Schritt ermitteln, in welchem „Baugebiet“ befindet sich das Vorhaben, bevor es in einem zweiten Schritt prüft, ob das Vorhaben sich in das Gebiet „einfügt“. Für den ersten Schritt, die Ermittlung des Baugebietes, analysiert das Gericht die Regelbebauung.

Schon gewusst? Baurecht 2023: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)

VG Mainz: Schutz des Gebietscharakters

Das Verwaltungsgericht Mainz entschied zunächst, dass das Gebiet, in dem der Anwohner seinen kleinen Kfz-Betrieb einrichten wollte, einem allgemeinen Wohngebiet entspreche. Das Gericht hielt sodann fest, dass die umgenutzt Garage höchstens einer Ausnahmebebauung unterfallen könnte. Für solche sei entscheidend, und dafür rekurrierte das Verwaltungsgericht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ob das geplante Vorhaben aufgrund seiner typischen Nutzungsweise stören wirkt. Zu fragen sei, ob ein Vorhaben dieser Art
generell geeignet sei, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören.

Schon gewusst? Nachbarschaftsrecht: Dann muss der Überbau hingenommen werden!

VG Mainz: Keine Ausnahme

Das Gericht urteilte daraufhin, dass eine Kfz-Werkstatt sich nicht mit dem Charakter einen allgemeinen Wohngebietes vereinbaren lasse. Kfz-Betriebe würden im Allgemeinen wegen des Einsatzes lärmerzeugender Maschinen und Arbeitsweisen als störende Betriebe angesehen. Das werde im konkreten Fall noch verstärkt, weil der Betrieb vor allem Samstags betrieben werden sollte. Dass die Werkstatt nur einen Tag pro Woche betrieben werde, verringere nicht die typsischen Belastungen, die mit der Werkstatt einhergingen (Staub, Lärm etc.).

Schon gewusst? Darf ich Hängebauchschweine im Garten halten?

VG Mainz: Unerheblich, ob tatsächlich stört

Weiterhin wies das Gericht darauf hin, dass es grundsätzlich nicht auf Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen ankomme. Entscheidend sei deshalb auch nicht, ob die mit der Nutzung verbundenen Immissionsschutzwerte eingehalten würden.

Schon gewusst? Baurecht 2023: Schadensersatz bei mangelhaftem Bau

Fazit

Der Fall legt dar, dass Nachbarn weite Möglichkeiten haben, ihr Wohngebiet von störenden Betrieben „freizuhalten“. Selbst ein Ein-Mann Betrieb, der unter geltenden Immissionsschutzwerten operiert, darf nicht betrieben werden.

Noch Fragen?

Bei weiteren Fragen zum Thema Bau- oder Architektenrecht, stehen wir Ihnen gerne auch persönlich zur Seite. Terminvereinbarungen können Sie während unserer Bürozeiten unter der Telefonnummer 0201-24030 oder per Email unter  vornehmen.

Ihre Kanzlei Schumacher & Partner
Rechtsanwälte für Bau- und Architektenrecht in Essen