Das OLG Saarbrücken entschied mit Urteil vom 17.12.2021, dass ein Erbe, welcher gleichzeitig bis zum Tode des Erblassers dessen gesetzlicher Betreuer war und die Abwicklung des Nachlasses übernommen hat, gerade deshalb gegenüber seinen Miterben auskunftspflichtig sein kann.
In dem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall verlangte der Kläger vom Beklagten Auskunft über den Nachlass der Verstorbenen und die Herausgabe von Nachlassgegenständen zugunsten der Erbengemeinschaft. Denn der Beklagte und der Kläger waren Geschwister und folglich beide Abkömmlinge der Erblasserin. Der Beklagte war allerdings zu Lebzeiten der gesetzliche Betreuer der Erblasserin, wohnte mit dieser zusammen und pflegte sie bis sie starb. Aufgrund dessen übernahm er nach dem Tod auch die Nachlassverwaltung. Zudem nahm er den kompletten Nachlass in Besitz und verfügte über diesen, in dem er beispielsweise das Türschloss des sich im Nachlass befindlichen Hauses austauschte. Als der Kläger als Miterbe nun Auskunft über den Nachlass und dessen Teilung mit der Erbengemeinschaft fordert, teilt der Beklagte mit, dass er ohne Erbschein keine Vermögensübersicht herausgeben werde. Der Beklagte argumentiere, dass der Kläger monatelang Zeit gehabt hätte, um Gegenstände aus dem Nachlass an sich zu nehmen, dies allerdings auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht tat und somit nicht von seinem Erbrecht Gebrauch gemacht habe. Außerdem habe er jegliches Vermögen, welches aus dem Erbe resultierte, auf ein gemeinsames Konto der Erbengemeinschaft eingezahlt und bereits nach Tod der Erblasserin Einblick in sämtliche Unterlagen gewährt.
Häufig wissen vermeintliche Erben oder sonstig Berechtigte nicht, wie hoch das Vermögen des Verstorbenen ist und welche Gegenstände ihnen zustehen könnten. Das Gesetz normiert zahlreiche Auskunftsansprüche, die für diese Fragen hilfreich sind und die wir zusammengefasst haben:
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 1: Ansprüche gegen Dritte
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 2: Ansprüche der Miterben
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 3: Auskunftsansprüche des Nacherben
– Auskunftsansprüche im Erbrecht – Teil 4: Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten
Das Gericht entschied daraufhin, dass der Beklagte der Erbengemeinschaft einen Nachweis über die seit dem Tod der Erblasserin getätigten Geschäfte für die Erbengemeinschaft vorlegen solle. Über den Bestand und den Umfang des Nachlasses müsse der Beklagte allerdings keinerlei Auskunft erteilen, da innerhalb der Erbengemeinschaft keinerlei Auskunftsansprüche bestehen würden.
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Hinweis: Zwar hat sich die Rechtslage mittlerweile verändert, jedoch dürfte das Ausgeführte weiterhin gelten
In der daraufhin eingelegten Berufung durch den Kläger bezüglich der Auskunftsansprüche und der Herausgabe des Nachlasses gab das Gericht dem Kläger hingegen Recht und urteilte somit, dass der Beklagte gegenüber der Erbengemeinschaft vollumfassend auskunftspflichtig sei und zudem zur Herausgabe des Nachlasses verpflichtet ist. Dies ergebe sich nicht aus seiner Stellung als Erbe, sondern aus seiner Stellung als Betreuer der Verstorbenen. Denn aufgrund dieser verwaltete er auch das Vermögen bevor und nach dem die Erblasserin verstarb. Die Auskunftspflicht ergibt sich aus § 1890 BGB alter Fassung, welcher auf § 1908i Abs. 1 S.1 BGB alter Fassung verweist. Aus diesem ergibt sich nach Beendigung einer Vormundschaft ein Anspruch auf Herausgabe des Vermögens der betreuten Person und Offenlegung über die Vermögensverwaltung. Da die betreute Person im vorliegenden Fall bereits gestorben war, geht der Anspruch also auf die Erbengemeinschaft über. Der Beklagte schuldet folglich eine umfassende Vermögenübersicht bezüglich der Einnahmen und Ausgaben sowohl vor, als auch nach dem Tod der Erblasserin. Außerdem schuldet er auch ein Bestandsverzeichnis über die sich im Nachlass befindlichen Gegenstände.
Darüber hinaus entschied das OLG Saarbrücken, dass der Beklagte nicht auf das Erbe verzichtet hatte, nur weil er bisher keine aus dem Nachlass stammenden Gegenstände an sich genommen hatte. Das Gericht urteilte also, dass der Bruder des Klägers folglich dazu verpflichtet ist, der Erbengemeinschaft umfassend Auskunft zu leisten, sowie das Erbe herauszugeben.