Ein Amtsgericht in Bayern hatte zuvor noch anders entschieden. Nun erklärte ein Berliner Landgericht die Aufnahme einer geflüchteten Ukrainerin als Untermieterin als zulässig an. Denn gerade das Leben in der eigenen Wohnung dürfte man nach seinen Wertvorstellungen gestalten.
Eine Mieterin in Berlin fragte ihre Vermieterin an, ob sie eine geflüchtete Ukrainierin als Untermieterin aufnehmen könne. Die Vermieterin akzeptierte dies auch grundsätzlich, wollte aber die Miete anpassen. Das wiederum akzeptierte die Mieterin nicht, woraufhin sich die Parteien vor Gericht sahen.
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Ein Anspruch auf Erlaubnis zur Untervermietung setzt gemäß § 553 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ("BGB") ein berechtigtes Interesse des Mieters hierzu voraus, welches nach Abschluss des Mietvertrags entstanden sein muss. Dabei kann es sich um ein wirtschaftliches oder persönliches Interesse handeln.
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Nachdem das Amtsgericht München noch entschied, dass es nur auf Umstände ankommen könne, die in der Person des Mietenden liegen, urteile das Landgericht Berlin nun, dass es sich bei der Flüchtlingsaufnahme um innere Umstände handle. Das Landgericht bezog sich im Wesentlichen auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1984, in dem das höchste deutsche Zivilgericht die Wichtigkeit und Bedeutung der Grundrechte für das Verständnis des Begriffes "berechtigtes Interesse” darstellen.
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Laut dem Landgericht Berlin, umfasse das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das berechtigte Interesse an der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht nicht ausdrücklich im Gesetz. Es hat sich vielmehr erst durch verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entwickelt. Es wird aus einer Zusammenschau von Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ("GG") (der Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (der freien Entfaltung der Persönlichkeit) gelesen. Es schützt den gesamten privaten Lebensbereich vor (staatlichen) Eingriffen von der sozialen Sphäre (Kontakte zu anderen) über die Privatsphäre (Beziehungen, häuslicher Bereich etc.) bis hin zur Intimsphäre (Tagebücher etc.). Aber auch gegen andere private Personen kann man wegen eventuellen Eingriffen in das Recht vorgehen. Häufig betrifft dies ehrverletzende Aussagen über eine Person, etwa in der Zeitung oder im Internet.
Zu dem Recht gehört auch, dass der Lebensbereich in den eigenen vier Wänden nach den eigenen Vorstellungen ausgestaltet werden kann, betonte das Landgericht Berlin.
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Die Kammer des Landgerichts bezog sich auf die Entstehung der Bundesrepublik Deutschlands, die vom Fluchtgeschehen mit Millionen von Weltkriegsvertriebenen geprägt war. Auf diesen Erfahrungen basierte auch das 1949 verabschiedete Grundgesetz. Schon daher falle die Aufnahme der vor dem Krieg flüchtenden Ukrainerin sogar in die unantastbare Menschenwürde.
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Die Frage, ob Flüchtlinge als Untervermieter aufgenommen werden können, wird noch mehr Gerichte beschäftigen. Fest steht aber, dass sie noch nicht geklärt ist und die Begründung der Kammer des Berliner Landgerichts auf den ersten Blick überzeugend klingt. Die Entscheidung zeigt auch, wie häufig Amts- oder Landgerichte von den Ansichten anderer Gerichte abweichen.
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