Muss ein Unternehmen Mitarbeitende entlassen, weil es in betriebliche und finanzielle Engpässe geraten ist, kommt schnell die Frage auf, welche Kriterien dafür maßgeblich sind. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat am 8.12.2022 (Az.: 6 AZR 31/22) entschieden, dass das Alter sowohl gegen als auch für eine Kündigung sprechen kann.
Die klagende Arbeitnehmerin ist 65 Jahre alt und seit 1972 bei dem Arbeitgeber beschäftigt, der insolvent ist. Der Arbeitgeber kündigte die Arbeitnehmerin und begründete die Kündigung damit, dass sie am wenigstens schutzwürdig sei. Denn sie könne ab dem 1.12.2020 eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen. Nach einigen Verhandlungen mit dem Betriebsrat kündigte die Arbeitgeberin erneut vorsorglich. Die gekündigte Arbeitnehmerin klagte gegen beide Kündigungen.
Schon gewusst? Schwänzen der Prüfung berechtigt zur Kündigung
Im Arbeitsrecht existieren verschiedene Formen der Kündigung. Wir haben in diesem Beitrag allgemeine Informationen über Kündigungen im Arbeitsrecht zusammengetragen. In der hiesigen Konstellation ging es um eine sogenannte ordentliche Kündigung, die betriebsbedingt war (deren Gründe also im Betrieb lagen). Bei dieser betriebsbedingten Kündigung hat eine soziale Auswahl zu erfolgen. Bei dieser sind Faktoren wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, etwaige Unterhaltspflichten und/oder ob eine Schwerbehinderung vorliegt, zu berücksichtigen. Wir haben auch dazu einen Beitrag verfasst.
In der vorliegenden Konstellation ging es darum, ob die Nähe zur Rente berücksichtigt werden durfte.
Weitere Arten der ordentlichen Kündigung sind die personenbedingte und die verhaltensbedingte Kündigung. Daneben besteht die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung für besonders starke Verfehlungen.
Der Bundesgerichtshof entschied zwar hinsichtlich der ersten Klage zu Gunsten der Arbeitnehmerin, aber nur, weil der Arbeitgeber andere Auswahlkriterien überhaupt nicht berücksichtigt habe. Die Richter*innen in Erfurt entschieden, dass das Alter zum Nachteil eines Arbeitnehmers berücksichtigt werden dürfe, wenn dieser eine vorzeitige Rente in Anspruch nehmen könnte. Dies senke sein Schutzniveau. Eine Ausnahme müsse nur für schwerbehinderte Menschen gemacht werden.
Schon gewusst? Das ist eine Kündigungsschutzklage
Das Gericht führte ferner aus, dass das Alter nicht immer als für Arbeitnehmer*innen nachteiliges Kriterium einschlägig sei. Die Richter*innen argumentieren, dass es mithilfe des Alters in beide Richtungen - für und gegen eine soziale Auswahl - argumentiert werden könne. Sei ein Beschäftigter zwar alt, aber noch nicht so alt, dass er frühzeitig in Rente gehen könne, komme ihm sein Alter zugute. Denn er habe in der Regel größere Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt eine vergleichbare Beschäftigung zu finden. Das Blatt wendet sich aber, sobald eine vorgezogene Altersrente in Anspruch genommen werden könne.
Daher entschied der Bundesgerichtshof, dass die zweite Kündigung rechtmäßig sei.
Schon gewusst? So wickeln wir Ihren Verkehrsunfall ab
Das Alter eines Beschäftigten kann also in die Waagschale für und gegen eine Kündigung geworfen werden - es kommt dabei auf das konkrete Alter, die Rentennähe und die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt an. Insgesamt verdeutlicht die Entscheidung, wie viele Detailfragen im Bereich des Kündigungsrecht noch immer sensibel sind. Rechtlicher Beistand ist - vor allem im Lichte der nur 14 tägigen Frist einer Kündigungsschutzklage - elementar. Auf der anderen Seite müssen, sofern Bewerber "sozial" ausgewählt werden, viele Stolpersteine berücksichtigt werden.
Wenn Sie Fragen rund um das Thema Kündigung oder andere arbeitsrechtliche Fragen haben, wenden Sie sich an unsere Anwälte für Arbeitsrecht und vereinbaren einen Termin. Wir stehen Ihnen gerne und jederzeit für alle Fragen zur Verfügung. Rufen Sie uns an 0201/24030.
Schumacher | Rechtsanwälte · Notare · Steuerberater
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