Eine Person die Ihnen nahestand ist verstorben und Sie wurden zum Erben bestimmt, wollen die Erbschaft jedoch ausschlagen, aber haben die Ausschlagungsfrist verpasst? Dann bleibt Ihnen noch die Möglichkeit der Anfechtung der Erbschaftsannahme. Denn gemäß § 1956 BGB kann die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden. Das OLG Brandenburg entschied am 19.10.2021, dass eine Versäumung der Frist angefochten werden kann, wenn der Erbe die Erbschaft eigentlich gar nicht annehmen wollte, da er sich über die Rechtsfolgen oder das Bestehen der Erbschaft im Irrtum befand oder geglaubt hat, er habe die Erbschaft bereits ausgeschlagen.
In dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall wollte die Beteiligte die Erbschaft ausschlagen, vermerkte dies jedoch nur handschriftlich in der Akte. Das Nachlassgericht sah die Erbschaft folglich nach Fristablauf als angenommen an. Daraufhin hatte die Beteiligte die Annahme mit der Begründung angefochten, sie habe nicht gewusst, dass das Erbe innerhalb einer bestimmten Frist und einer bestimmten Form auszuschlagen sei. Das Amtsgericht entschied jedoch zunächst, dass die Erbschaft trotzdem als angenommen gelte, da die Beteiligte von anderen Beteiligten darüber informiert worden sei, dass die Ausschlagung form- und fristgerecht abzugeben sei. Dies stellte sich im Nachhinein allerdings als unwahr heraus. Die Beteiligte wurde lediglich darüber informiert, dass sie Miterbin sei. Über zu beachtende Ausschlagungsfristen informierte sie jedoch niemand. Das OLG Brandenburg beschloss daher, dass die Beteiligte die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten habe und die sie somit keine Miterbin geworden ist.
Wir haben in diesen Beiträgen Grundlagenwissen zur Erbfolge, zum Testament und zu anderen erbrechtlichen Fragestellungen zusammengefasst:
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Fälle wie diese, in denen eine Fristversäumung wegen Irrtums angefochten wird, kommen in der Praxis regelmäßig vor. Oftmals liegt dabei ein Irrtum über Anfechtungsfristen oder ein Irrtum über die Nachlasszusammensetzung vor. Solch ein Irrtum kann stets angefochten werden, sodass diese Anfechtung wie ein verlängertes Ausschlagungsrecht wirkt. Denn häufig ist eine Ausschlagungsfrist von sechs Wochen überhaupt nicht ausreichend, um einen Nachlass und damit mögliche verbundene Schulden, komplett zu sichten.
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Heute ist die Anfechtbarkeit der Fristversäumung folglich anerkannt, auch wenn dies aus rechtlicher Sicht gar nicht so selbstverständlich ist. Denn mit den §§ 1943, 1944 BGB wird das Ziel einer schnellen Nachlassabwicklung verfolgt, um für die Beteiligten Klarheit über die Erbschaft zu schaffen. In Fällen, in welchen der Erbe die Anfechtungsfrist aufgrund eines Irrtums verpasst hat, kann jedoch heute mithilfe der Anfechtung der Fristversäumung doch noch ein ungewolltes Erbe vermieden werden.
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