Wenn ein Mitarbeiter ein Unternehmen verlässt, kommt es vor, dass er andere Angestellte mitzunehmen versucht. Auch Arbeitgeber selbst fischen oft in den Wassern der Konkurrenz. Doch haben die Wechselnden mit Konsequenzen zu rechnen? Was ist dem Abwerber vorzuwerfen? Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, dessen Unternehmen verlassen wird? Ein Überblick.
Das Thema Abwerben von Mitarbeitern beschäftigt deutsche Gerichte immer wieder. Der wachsende Fachkräftemangel erhöht den Druck auf Unternehmen, genügend qualifiziertes Personal zu finden.
Als Abwerben wird im deutschen Arbeitsrecht jede ernsthafte Einwirkung auf Arbeitnehmer verstanden, die mit dem eindeutigen Ziel erfolgt, diese zum Arbeitgeberwechsel zu veranlassen.
Grundsätzlich darf natürlich jeder Arbeitnehmer selbst entscheiden, wo er arbeiten und wann er etwa auf dem Wege der Kündigung ein Arbeitsverhältnis beenden möchte.
Das Landgericht (LG) Koblenz hatte sich mit dem folgenden Fall zu beschäftigen (LG Koblenz 11 O 12/24):
Ein Unternehmer hatte 25 Mitarbeiter des Antragsgegners abgeworben. Die „Wechselwilligen“ hatten bereits neue Verträge bei ihm und wollten nur noch bis Ablauf der eigenen Kündigungsfrist im alten Unternehmen verbleiben.
Zwischen dem alten und dem neuen Unternehmen fanden derweil mündliche Verhandlungen statt. Hierbei hatte das Unternehmen, von dem die 25 Mitarbeiter abgeworben worden waren, erbeten, davon abzusehen, weitere seiner Mitarbeiter anzusprechen und abzuwerben. Das abwerbende Unternehmen ging auf diese Einigung nicht ein.
Dann jedoch kündigten einige der Wechselwilligen bei dem neuen Unternehmen den geschlossenen Vertrag, vor Arbeitsantritt am 1. September. Das alte Unternehmen hatte ihnen mitunter Prämien und kostenlose externe Rechtsberatung zugesichert. Es ging dem Grunde nach um eine doppelte Abwerbung. Zunächst warb das Unternehmen A die Mitarbeiter des Unternehmens B ab, anschließend warb B seine ehemaligen Mitarbeiter von A zurück.
Das Unternehmen A stellte im Zuge der Kündigungen seitens seiner „neuen Mitarbeiter“ einige Forderungen gegenüber dem Unternehmen B. Zum Beispiel forderte A von B ein Beschäftigungsverbot der in Rede stehenden Mitarbeiter. Auch wollte A, dass das Unternehmen B davon absehen solle, Prämien an die Mitarbeiter zu zahlen, wenn diese die Arbeit bei ihm weiterverfolgten.
Der Beschluss aus Koblenz sah keine dieser Forderungen als begründet an. Die Forderungen waren auf das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" (UWG) gestützt. Gem. §§ 4, 4a UWG handelt derjenige unlauter, welcher einen Mitbewerber gezielt behindert. Kern des gerichtlichen Beschlusses war also die Prüfung, ob das Zurückabwerben des durch das Unternehmen B das Unternehmen A „gezielt behindert“ habe.
Das wiederum knüpfte das Gericht an die Bedingung, dass hierfür zunächst die erste Abwerbung wettbewerbskonform gewesen sein müsse. Sei die erste Abwerbung wettbewerbswidrig gewesen, seien auch bei der Rückabwerbung „mildere Maßstäbe anzulegen“, heißt es im Urteil.
Eine unzulässige Behinderungsabsicht im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG ist laut dem Urteil aus Koblenz dann anzunehmen, wenn der Abwerbende den Arbeitnehmer eigentlich nicht benötigt, oder wenn „nur gezielt von einem ganz bestimmten Unternehmen abgeworben wird, ohne die anderen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu sondieren.“ Ein Abwerben, das diese Voraussetzung der Behinderungsabsicht nicht erfüllt, ist demnach nach dem UWG nicht verboten.
Die Absicht, dass konkret ein anderes Unternehmen geschädigt werden soll, darf unter folgenden Umständen unterstellt werden. Zum einen, wenn es nicht notwendig ist, „fremde“ Mitarbeiter für das eigene unternehmerische Fortkommen abzuwerben - eine in der Praxis schwierig feststellbare Tatsache. Eine konkrete Behinderungsabsicht wird auch dann angenommen, wenn nur von einem speziellen Unternehmen abgeworfen wird, ohne dass überprüft wird, von welchen Unternehmen man auch abwerben könnte. Kein verwerflicher Zweck ist es demnach, abzuwerben, um das eigene Unternehmen nach vorn zu bringen.
Dem „Rückabwerber“, also Unternehmen B, wurde hier zugestanden, ein „erhebliches Eigeninteresse an der Weiterbeschäftigung dieser Mitarbeiter“ zu haben und diese auch zu benötigen. Dass die Mitarbeiter, die ihren neuen Vertrag direkt wieder kündigten und alle ein form- und inhaltsgleiches Kündigungsschreiben bei A einreichten, sei noch kein Indikator dafür, dass das Unternehmen B diese zur Kündigung verleitet .
2021 hatte das Oberlandesgericht Köln geurteilt, dass das Abwerben von Mitarbeitern regelmäßig keine wettbewerbswidrige Behinderung darstelle (OLG Köln, 6 U 81/21). Eine Abwerbung sei eine „geschäftliche Handlung“ und keine „wettbewerbswidrige Behinderung“ im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Im Urteil wurde auch der § 75f HGB (Handelsgesetzbuch) angeführt, welcher so auszulegen sei, dass er die Vereinbarung zwischen Unternehmern, gegenseitig Mitarbeiter abzuwerben, ausschließe. Andernfalls könnte eine auf diese Weise sonst bestehende Pflicht zur Karenzzahlung gegenüber dem Arbeitnehmer umgangen werden.
Aus dem Urteil aus Köln geht gleichsam hervor, dass grundsätzlich das Interesse an beruflicher Weiterbildung seitens des Arbeitnehmers dem des Arbeitgebers, die Mitarbeiter im Unternehmen zu behalten, überzuordnen sei. Die Durchsetzbarkeit des § 75f HGB sei nur gegeben, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe.
Spannend ist auch die Einschätzung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2003, dass zwar ein Abwerbeverbot, generell jedoch kein Einstellungsverbot denkbar sei. Hierbei würde einem Unternehmen generell verboten werden, Mitarbeiter einzustellen, die zuvor für ein konkretes anderes Unternehmen gearbeitet hatten. Einstellungsverbote dieser Art würden schon die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit unzulässig einschränken.
Insgesamt bestehen also - um gegen Abwerben vorzugehen - hohe rechtliche Hürden. Allerdings folgt daraus zugleich: Tatsächliche Möglichkeiten, gegen Abwerber vorzugehen, bestehen, da Abwerber schlicht zurück abgeworben werden können. Das Zeigt die Entscheidung aus Koblenz.
Zudem sind im unternehmerischen Kontext noch etwaige Abreden zwischen Arbeitgebern zu berücksichtigen. Überdies folgen aus ausdrücklichen oder konkludenten nachvertraglichen Pflichten unter Umständen zeitweise Beschäftigungsverbote, etwa wenn ein Arbeitnehmer besondere Fachkenntnis des Unternehmers, das er verlässt, hat und diese nicht eingesetzt werden können.