Mit dem Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen, die auf dem Prüfstand einen niedrigeren Emissions-Ausstoß anzeigten als im Realbetrieb, hat VW seine Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Mit dieser Feststellung hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach fünf Jahren im medienwirksamen "Diesel-Skandal" eine Grundsatzentscheidung getroffen.
Der VW-Abgasskandal ist im Jahr 2015 publik geworden. Betroffen waren Millionen Modelle der Marke VW mit EA 189-Dieselmotor – und zwar sowohl 1,2-Liter-, 1,6-Liter- als auch 2,0-Liter-Aggregate. Sie sind von besonders vielen Rückrufen betroffen und die meisten der Fahrzeuge auch schon in den Werkstätten gelandet.
Manipuliert wurden aber auch Autos weiterer Marken des VW-Konzerns: Audi, SEAT, SKODA und Volkswagen Nutzfahrzeuge. Verwickelt sind außerdem weitere deutsche Hersteller, es gab Rückrufe des Kraftfahrtbundesamtes z.B. bei Audi, Porsche, Daimler, Opel und BMW.
Der Sachverhalt wurde in unzähligen Gerichtsverfahren behandelt. Am 25. Mai 2020 hat der BGH entschieden, dass VW den Kunden zu Schadensersatz verpflichtet ist. Die zuvor gegen VW erhobene Musterfeststellungsklage war zuvor im Februar 2020 mit einem Vergleich beendet worden.
Steckt im eigenen Auto eine illegale Abschalteinrichtung, haben Betroffene mehrere Probleme:
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Bereits 2019 hatte der BGH einen Hinweisbeschluss veröffentlicht.
In diesem stellten die Richter klar, dass die illegale Software einen Mangel bei den Fahrzeugen darstellt. Damit bestand für viele Käufer die Hoffnung, vertragliche Mängelrechte beim jeweiligen Verkäufer geltend zu machen.
Bei einem Mangel der Sache kann der Käufer gem. § 437 BGB
- nach § 439 Nacherfüllung verlangen,
- nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und
- nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
Nach dem Grundsatzurteil des BGH haftet aber auch VW dem Grunde nach deliktisch dafür, dass der Konzern seine Fahrzeuge mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausstattete.
Das Verhalten von VW war "mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren". Der Konzern handelte sittenwidrig, und das vorsätzlich, dem Vorstand des Autobauers zivilrechtlich zurechenbar. Darüber hinaus ist den Käufern ein Schaden entstanden, indem sie den Vertrag über einen solchen, viel weniger umweltfreundlichen Pkw, der erheblich mehr Stickoxid ausstößt, nicht gewollt hätten.
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Dennoch können Käufer älterer Autos komplett leer ausgehen. Denn der BGH stellte auch fest, dass es passieren kann, dass vom zu erstattenden Kaufpreis nach Anrechnung der zurückgelegten Kilometer nichts mehr übrig bleibt.
Beispiel:
Ein Käufer geht leer aus, wenn sein Wagen inzwischen rund 255.000 Kilometer auf dem Tacho hat, ein durchschnittlicher Wagen des gleichen Modells aber nur 250.000 Kilometer schafft.
Die Käufer müssen sich die durch den Gebrauch des Fahrzeugs gezogenen Nutzungsvorteile, d.h. die gefahrenen Kilometer, anrechnen lassen. Bei vielen gefahrenen Kilometern bleibt dann vom ursprünglich gezahlten Kaufpreis nichts mehr übrig.
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Darüber hinaus gibt es keine guten Nachrichten für VW-Käufe nach dem Herbst 2015. Hier stellte der BGH fest, dass VW in diesen, vom Konzern sog. Kauf-nach-Kenntnis-Fällen, nicht mehr für verbaute Abschalteinrichtungen in Autos haftet.
Denn VW war am 22. September 2015 mit einer Mitteilung an die Aktionäre und einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit gegangen. Von da an war das Thema über Monate in den Medien sehr präsent. Volkswagen hatte damals auch eine Internetseite eingerichtet, auf der Autobesitzer überprüfen konnten, ob auch ihr Wagen einen Motor mit der illegalen Abgastechnik hat. Daher - so die Richter - seien wesentliche Umstände, die vorher für eine Täuschung sprachen, bereits im Herbst 2015 entfallen.
Schon aufgrund der Ad-hoc-Mitteilung hätten Käufer nicht mehr damit rechnen können, dass die Abgastechnik den Vorgaben entspreche.
Darüber hinaus hat der BGH nun klargestellt, dass Ansprüche, die erst mit 2019 oder 2020 erhobenen Klagen geltend gemacht wurden, inzwischen verjährt sind. Denn die Rechtsverfolgung habe schon 2015 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprochen und sei zumutbar gewesen. Wer damals nachweislich wusste, dass auch sein Auto betroffen ist, hätte demnach bis spätestens Ende 2018 klagen müssen, um die dreijährige Verjährungsfrist zu wahren.